Als das erste Mal eine Werbung des Sextoys-Vertreibers Amorelie im Nachmittagsprogramm über den TV-Screen huschte, da musste ich unweigerlich an die Zeiten meines Teenagerdaseins in den 1990ern zurück denken, als ein solcher medialer Content höchstens im Schmuddel-Nachtprogramm der privaten Sender denkbar war. Doch die Zeiten haben sich geändert und die luststeigernden Produkte werden heutzutage in angenehmen, pastelligen Tönen angepriesen - ein Glamour-Spot jenseits des 0190-Ruf mich an!-Trashs eben in High Quality produziert. Man darf wieder (oder besser: noch viel mehr!) offen Spaß haben und das flächendeckend. Flower Power 2.0 quasi! Denn: "Es rappelt im Karton!" und das gewaltig.
Und so ist die Einstellung der Jugendlichen insbesondere in Deutschland Dank dieser liberalen Offenheit eine sehr aufgeklärte. Man darf, was gefällt! Doch was macht den Kiddies von heute denn da eigentlich so Spaß? Wie ist ihre Einstellung zum Sex? Und wie funktioniert die Blumen-Bienen-Sexualisation denn heute so? Bestimmt nicht mehr ausschließlich im Bio-Unterricht und durch das Dr. Sommer-Team der BRAVO.
Seit 11. April 2016 läuft mit „Generation What?“ die größte jemals aufgelegte europaweite Studie zur Lebenswelt junger Menschen (18 bis 34 Jahre). Bisher haben sich mehr als 770.000 Menschen aus 32 Ländern Europas an der Umfrage beteiligt, die in Deutschland vom Bayerischen Rundfunk zusammen mit dem SWR und dem ZDF umgesetzt wird. Und schon jetzt lassen sich die ersten Tendenzen ablesen, sowohl für Deutschland als auch für die anderen europäischen Teilnehmerländer.
Sexspielzeug: Frauen aufgeschlossener als Männer
Im Schutze der Anonymität geben die jungen Europäer u. a. pikante Details ihres Liebeslebens preis. In Beziehungsfragen sind die meisten der mehr als 770.000 Teilnehmer eher konservativ eingestellt: 74 Prozent halten Treue in einer Beziehung für unverzichtbar und für 58 Prozent ist es undenkbar, eine Beziehung ohne Liebe zu haben. In Fragen der Sexualität sind die jungen Europäer dagegen für vieles offen: So gaben europaweit 19 Prozent der jungen Menschen auf die Frage nach gleichgeschlechtlichem Sex an, dass sie derartiges noch nicht gehabt hätten, es aber gerne ausprobieren würden. Auffällig ist der Unterschied der Geschlechter. Während nur zehn Prozent der männlichen Teilnehmer neugierig auf gleichgeschlechtliche Erfahrungen sind, sehnt sich mehr als jede vierte Frau (26 Prozent) nach einem solchen Abenteuer. In Deutschland ist dieser Trend mit elf Prozent bei den männlichen und 29 Prozent bei den weiblichen Teilnehmern sogar noch etwas ausgeprägter.
Auch Sex mit mehr als einer Person scheint für viele junge Menschen eine reizvolle Vorstellung zu sein. Europaweit würden 39 Prozent der bisherigen Teilnehmer gerne das Experiment wagen, zwölf Prozent geben an, schon entsprechende Erfahrungen gesammelt zu haben. In Deutschland ist dieser Trend noch deutlicher: 45 Prozent der befragten jungen Deutschen sind neugierig gegenüber Sex mit mehr als einer Person, 42 Prozent lehnen ihn ab. Partnertausch ist dagegen sowohl für die große Mehrheit der deutschen (83 Prozent), als auch der europäischen Jugendlichen (82 Prozent) nicht denkbar.
Experimentierfreudiger gibt man sich beim Thema Sexspielzeug. In Deutschland merkt man hier offenbar das Erbe Beate Uhses, denn in kaum einem anderen Land geben so viele junge Menschen an, positive Erfahrungen mit Sexspielzeug gesammelt zu haben (37 Prozent). Mit diesem Wert ist Deutschland führend in Europa. In den meisten anderen Ländern Europas überwiegt dagegen die Skepsis. Dort ist die meist gegebene Antwort auf die Frage nach Sexspielzeug „Nein, das interessiert mich nicht“. Eine Ausnahme bilden die Spanier. Dort sind 35 Prozent der bisherigen Teilnehmer neugierig und würden sexuelle Hilfsmittel gerne einmal ausprobieren, 34 Prozent schwören darauf. Interessant ist bei dieser Frage auch der Geschlechterunterschied. Frauen scheinen beim Thema Sexspielzeug deutlich aufgeschlossener als Männer zu sein.
Studie läuft noch bis November 2016
Noch bis November können junge Menschen zwischen 18 und 34 Jahren an der Umfrage teilnehmen: Sie umfasst 149 Fragen von Politik über Religion bis hin zu Sexualität und Lebensglück. Das Ziel: Die 18- bis 34-jährigen Europäer sollen die Chance erhalten, selbst ein Bild ihrer Generation zu zeichnen. Koordiniert wird „Generation What?“ von der Europäischen Rundfunkunion (EBU); in Deutschland begleitet der Bayerische Rundfunk zusammen mit dem ZDF und dem SWR das Projekt.
Der Blick auf die Webseite lohnt sich auch für alle Neugierigen. So kann man schon jetzt unter den Rubriken „So denkt Europa“ beziehungsweise „So denkt Deutschland“ nach Alter, Bildung und Geschlecht differenzierte Befunde „in Echtzeit“ anzeigen lassen und sie per Mausklick auf allen Webseiten einbinden. Im November wird das Sinus-Institut in Kooperation mit den Sendern und in Zusammenarbeit mit Soziologen aus ganz Europa anhand einer repräsentativ gezogenen Stichprobe die Endergebnisse zum Projekt Generation What? vorstellen.
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