Die Idee ist einfach und produktionstechnisch genial: man mietet ein Wasserschlösschen, packt eine hochkarätige deutsche Schauspielerelite mit knapp zwei Dutzend Kameraleuten zusammen, die parallel die Szenen abdrehen und schon erhält man an zwei (beziehungsweise 1,5) Drehtagen genügend Material für einen abendfüllenden Spielfilm. Nicht zum ersten Mal baut Regisseur, Autor und - von Haus aus eigentlich selbst - Schauspieler Jan Georg Schütte auf dieses Konzept des Low-Budget-Improfilms im Auftrag des WDRs. Auch schon bei seiner preisgekrönten Beziehungskomödie "Altersglühen - Speed Dating für Senioren" agierten die Schauspieler ohne ausgearbeitetes Drehbuch lediglich auf der Basis von Figur- und Paarprofilen.
"Wellness für Paare" ist eine erfrischende, kurzweilige Komödie mit einer - zugegebener Maßen nicht neuen - Filmidee, denken wir an Filme wie "Shoppen" (Regie: Ralf Westhoff) oder Doris Dörris "Nackt" aus dem Jahr 2002, bei denen es um die Konfrontation im ersten Fall möglicherweise künftiger oder im zweiten Fall langjähriger Paare geht. Die Besonderheit ist das Vertrauen auf das Improvisationstalent der Schauspieler. Nimmt man die Publikumsstimmung der gestrigen Vorführung im Rahmen des Fernsehfilmfestivals Baden-Baden als Maßstab, geht der Ansatz auf, denn selten war die Stimmung bei den Filmen des Festivals so gelöst und fröhlich wie bei Schüttes Film.
Die Paare, gespielt von Schauspielgrößen wie Anke Engelke und Sebastian Blomberg, Devid Striesow und Kasa Truszkiewicz oder Martin Brambach und Katharina Marie Schubert, ziehen zu Beginn des Films zu einem romantischen Wellness-Wochenende in ein Hotel ein, mit der Besonderheit, dass ihnen neben all der Entspannung auch ein Therapie-Gespräch bevorsteht, das ihre Beziehung durchleuchten soll. Während in der Einführung jedes Paar in absolut inniger Zweisamkeit präsentiert wird, voller Zuneigung und Liebe füreinander, dekonstruieren die Psychologen in Windeseile diese Stimmung und bringen die verheimlichten und verborgenen Wünsche und Geheimnisse der einzelnen Akteure hervor. Die Konflikte: profan. Vom gemeinsamen Kinderwunsch, der dann doch von einer Seite nicht ganz so richtig geteilt wird, über Fremdgehgeständnissen bis hin zu der Erkenntnis, das der Partner pleite ist, wird nichts ausgelassen, was für eine Beziehung nicht schädlich wäre.
Oftmals ringen die Schauspieler nach Worten und Gesten, der (sehr häufig zu beobachtende) Griff zur Zigarette verrät, wenn die passende Aktion nicht einfällt, auch die gespielten Emotionen passen nicht immer als Reaktion auf das Gesagte. Doch "wo kein Drehbuch ist, gibt´s auch keine Texthänger oder Versprecher", hält Anke Engelke entgegen, die eine 50-jährige caternde Köchin mimt, die dem Kinderwunsch ihres jüngeren Partners nicht stattgeben möchte.
Das Auge des Improvisations-Orkans ist in den einzelnen Szenen im Therapiezimmer einzig und allein der Therapeut, der die Unterhaltung durch entsprechende Einwürfe und Nachfragen zu lenken scheint. Ein geschickter und notwendiger Schachzug, um die Geschichte am Laufen zu halten. Es sind aber dann auch eben diese Irritationen und Verwirrungen, diese spontanen Reaktionen der Schauspieler, die unfreiwillig komisch unterhalten und amüsieren.
So wurde den Schauspielerinnen und Schauspielern bewusst Informationen vorenthalten, um die Überraschung am Set perfekt zu machen und zu schauen, wie sie darauf reagieren. Regisseur Schütte verzichtete so bewusst auf ein Drehbuch, auch, weil er nach eigener Aussage viel zu unruhig wäre, um sich überhaupt auf die Erstellung eines echten Drehbuchs einzulassen. Die Gefahr dieser Spontaneität am Set war dann aber auch, dass sich die Gesprächs- und Handlungsverläufe nur bis zu einem gewissen Grade vorplanen ließen.
Den vielen Kameras in den einzelnen Räumen entging nichts und so wurde quasi nahezu alles eingefangen, was an den zwei Drehtagen an der begrenzten Hotel-Location geschah. Nur eine nächtliche Party eskallierte laut Schauspieler Martin Brambach so sehr, dass der Dreh an dieser Stelle abgebrochen wurde. Es sind solche verspielten, beinahe grotesken Anekdoten, die beim Talk nach der Filmpräsentation im Baden-Badener Kurhaus Publikum für Erheiterung sorgen. Zu Recht, natürlich!
Nochmals zurück zu den Drehbedingungen: zwei Drehtage, das ist nicht nur sportlich, sondern klingt im Vergleich zu den normal üblichen 20 bis 22 Tagen Drehzeit für einen 90-Minüter als unmögliches Unterfangen. Das begrenzte Setting, die parallelen Dreharbeiten und die geplanten Improvisationen, die die Wiederholungen eines textunsicheren Spiels, wie dies sonst bei ausformulierten Drehbüchern geschehen würde, unnötig erscheinen lassen, machen dieses Drehtempo erst möglich. "Dafür wurde das Filmbudget in der Postproduktion ausgegeben, die ein ganzes Jahr dauerte", so Produzent Michael Eckelt.
Dennoch, in Zeiten, in denen die Sender zum Sparen angehalten sind, in Zeiten immer knapperer Budgets und in Zeiten der Quick and Dirty-Produktionen ist diese räumliche und zeitliche Begrenzung einer Fimproduktion die notwendige Konsequenz. Auch wenn sich solche Filme glücklicherweise noch immer qualitativ von den allzu vielen Reality-Formaten abheben, so sind sie nicht mehr weit davon entfernt. Wenn Illusionsblasen platzen, weil man am Revers der Darstellerin das Knopfmikrophon sieht, oder andernorts an der Hose den Funksender, so ist dies schade und mindert die Legitimation solcher schnell herunter gerissener szenischer Produktionen. Man erwartet dies in Dokumentarfilmen, doch nicht in szenischen Spielfilmwerken.
Die Stärke solcher Produktionen liegt dann nur noch auf der Qualität des schauspielerischen Talents, der überraschenden Plots und der technischen Perfektion. Geschickt montiert entstehen so kleine Filmperlen, die aus dem Wust der leider viel zu vielen Standardwerke herausstechen und man rufen möchte: weiter so! Denn der eingeschlagene Weg, aus wenig viel herauszuholen, erscheint als einzige richtige Option in einem Fernsehsystem, das schnelllebig und beliebig zu werden droht. Wenn es dies nicht schon längst ist! Dann bleiben nur noch die guten Geschichten, die uns berühren und begeistern.
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