Auf keiner Messe dürfte es so bunt und lustig zugehen wie auf der ComicCon Germany. Bereits zum zweiten Mal wurde diese in Stuttgart veranstaltet und kann hierbei an ihren Erfolg von 2016 perfekt anknüpfen. Höher, schneller, weiter: diese Convention macht einfach Spaß! Und irgendwie hat man am Ende das Gefühl, zwar viel erlebt, aber auch viel verpasst zu haben. Denn schließlich kann man sich als Besucher nicht zerreißen und das Überangebot an Stars, Comiczeichnern, Ausstellern, Vorträgen und verschiedenen Sessions zum Comiczeichnen, oder mit Schmink- oder Kostümiertipps für Cosplayer zeigt, dass die Messe Stuttgart nochmals eine Schippe drauf gelegt hat. Das macht sich auch in den Besucherzahlen bemerkbar - 50.000 Menschen zog es hier an - und die Besucherströme rissen über die ganze Zeit nicht ab.
Schon längst kann hier nicht mehr von einer Randerscheinung gesprochen werden, einem Angebot für nur wenige Freaks, Nerds, Einzelgänger und Ausgestoßene. Die Szene ist kontinuierlich gewachsen und auch stets dabei geblieben, was auch an der breiten Altersstruktur zu erkennen ist. Die jüngesten Besucher werden noch im Säuglingsalter von Mama als Elfe verkleidet durch die Gänge geschoben, während ältere Steampunks schon an das Rentenalter heranreichen. Seine Träume in Parallelwelten zu leben, sich in fiktiven Identitäten neu zu erfinden, das ist die Stärke dieses immensen Marktes, der von den klassischen Comics, über zahlreiche Accessoires und Textilien, über Waffen, Spielzeugfiguren und Computerspielen bis hin zu ausgefeilten Masken und Schminkutensilien reicht. Selbst Asiatika-Anbieter haben für sich erkannt, welches ökonomisches Potenzial hier schlummert und sich ebenfalls gut platziert.
Denn kaufwütig und oftmals auch ziemlich kaufkräftig ist das Publikum, das am Ende ihres Convention-Besuchs etliche Einkaufstaschen und Kartons aus der Messe tragen. Die Aussteller dürften zufrieden sein. Positiv fiel die Gestaltung der Halle 1 auf, die im vergangenen Jahr noch verhältnismäßig trostlos herüber kam, damals zum Beispiel die Comiczeichner im hinteren Teil der Halle ihr Dasein fristeten oder die Stars in müßig zusammen gezimmerten Holzverschlägen ihre Autogramm-Sessions gaben.
In diesem Jahr wurden die Comiczeichner in den vorderen Hallenbereich geholt, dafür erhielten die Cosplayer ihren eigenen Bereich weiter hinten, der allerdings äußerst ansprechend und fantasievoll gestaltet war. Direkt daneben: die LEGO-Ausstellung, bei der äußerst beeindruckende Bauwerke wie ein meterlanger Sternzerstörer, Captain Futures "Comet", Saurons Turm oder gar verschiedene Landschaften verschiedener Fantasy- und Science-Fiction-Universen aufgebaut waren.
Auch war nun die gesamte Halle gut gefüllt, sodass die Messemacher in diesem Jahr noch zusätzlich eine zweite Halle bestückten, in der zum Beispiel einzelne Star Wars-Sets als beliebte Fotomotive mit den passend kostümierten Aliens aufwarteten. Im Hintergrund immer wieder aus den unterschiedlichsten Ecken stürmender Applaus und Gejohle von den Vorträgen, die demnach durchweg begeistert aufgenommen wurden. Lobenswerter Weise waren die einzelnen Panels in diesem Jahr kostenfrei zugänglich, eine vernünftige Entscheidung der Messe, die sich sicherlich auch künftig bezahlt machen wird.
Natürlich konnte auch verschiedentlich Heldenverehrung betrieben werden, waren doch zahlreiche Stars unterschiedlicher Filme und Serien angereist, die aber auch ein wenig die unterschiedlichen Altersstrukturen der Besucherscharen aufzeigten. Während die Auftritte von Sternchen der noch eher jüngeren Serien wie John Barrowman oder Natalia Cordova-Buckley denn auch eher das jüngere Publikum anzogen, so erhöhte sich der Altersdurchschnitt bei Auftritten von Kevin Sorbo, Dirk Benedikt, Judge Reinhold und John Ashton augenfällig. Hierdurch war denn aber auch für jeden etwas geboten und nur selten ging es bei einer Messe so harmonisch zu, trotz überfüllter Gänge, andauernder Reizüberflutung und vielen, vielen Angeboten.
Unverständlich für viele Besucher war der platzraubende Segway-Parcour in Halle 1, bei dem der thematische Bezug zur Convention völlig im Unklaren blieb. Da fehlten nur noch die Vorwerkvertreter und ADAC-Mitgliedschafts-Akquisteure. Bitte im kommenden Jahr auf einen solchen Fehlgriff möglichst verzichten (oder entsprechend mit dem Thema der Convention verknüpfen, Ideen gäbe es da sicherlich genug!). Das Publikum würde es danken!
Alles in allem ist es hocherfreulich, dass derartige Comic-Conventions Einzug in die deutsche Messelandschaft gefunden haben und so eine große Nachfrage endlich gedeckt wird. Denn gerade in den heutigen Zeiten suchen die Menschen spirituelle Oasen und kreative Fluchtmöglichkeiten aus einem Alltag, der mit all seinen Dramen und gesellschaftlichen Problemen gerade dazu einlädt, diesem den Rücken zuzukehren!