Ich war schon zu einer Zeit ein Nerd, als Deutschland noch gar nicht so genau wusste, was das überhaupt ist, natürlich wusste auch ich das nicht. Und genau genommen trifft diese Bezeichnung nur in Ansätzen auf mich zu, vielleicht träfe es "Geek" noch eher. Das mit dieser Rolle verbundene soziokulturelle Problem: die Faszination für Wissenschaft - insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften sind es in meinem Falle - und für das Phantastische: es gab Zeiten, da wurden solche Menschen als unreif abgestempelt, zu einer Zeit, als es zum Erwachsenendasein gehörte, mit MItte 20 seine Ausbildung abgeschlossen zu haben, einen entsprechenden Beruf auszuüben, eine Familie mit Kindern gehörte auch dazu und natürlich das auf den eigenen Beinen in den eigenen vier Wänden stehend. Zum Glück gibt es dank der Jugendsoziologie spätestens seit Anfang des 21. Jahrhunderts den Begriff der Postadoleszenz, in der sich die Zeithorizonte und Lebenswege deutlich nach hinten verschoben haben und immer gesellschaftsfähiger werden.
Es ist dennoch freilich nicht einfach, wenn das Leben oszilliert zwischen Kant, Max Weber, Goethe und George Lucas, wenn man neben der Leidenschaft für gute Literatur, Kunst, Musik und Filmen auch Comics zu seinen Leitmedien zählt, die in vielen intellektuellen Kreisen noch immer verpönt sind - leider! - und man auf entsprechenden Empfängen, Feierlichkeiten und akademischen Socialising Events penibel darauf achten musste, solche Populärthemen zu umschiffen. Denn verschließen sich eben jene Hochkulturellen einer Kunstform, die bei genauer Betrachtung viele hochwertige und äußerst wichtigen popkulturellen Produktionen auf den Markt gebracht haben und auch viel mehr Menschen beeinflusst haben, als so manch einem Traditionalisten gewahr ist.
Comics, insbesondere solche, die als aufwendig gearbeitete Graphic Novels überzeugen, die sich also nicht in der Kruschtel- oder Kinderecke eines Bahnhof-Kiosks in minderer Druckqualität finden, sondern in qualitativ hochwertigen Hardcover-Publikationen nur in gut sortierten Buchhandlungen oder Comic Stores, sind eine Kunstform, die visuell und sprachlich überzeugen und kaum hinter anderen Publikationen zurück bleiben. Die Hochkulturszene Deutschlands könnte sich wirklich eine Scheibe abschneiden von Comic-Nationen wir Frankreich, Belgien, Japan und natürlich den USA, in denen das Comic-Lesen eben nicht verpönt ist, sondern einen wesentlichen Teil der heutigen Kultur ausmacht.
An diesem Wochenende hätten sich eben jene Zweifler und Kultur-Aristokraten in der Messe Stuttgart ein Bild davon machen können, wie vielfältig, orginell, humorvoll und kreativ die Comic-Szene in Deutschland geartet ist. Altersspezifisch nur wenig begrenzt von Kindern, Jugendlichen, bis hin zu auch älteren Semestern. Die ComicCon Germany (CCON) begeistert jung und alt durch alle Schichten hinweg, die allesamt ihrer Leidenschaft für diese besondere Kulturtechnik frönten und so ohne Absprache ihre harmonische Gemeinschaft lebten - ein gigantisches Festival der Pop-Kultur, zu dem es insgesamt 40.000 Menschen zog!
Breites Angebot in zwei Messehallen zeigt die Vielfalt der Comic-Szene
So kann als Fazit festgestellt werden, dass sich die Comic Con Germany mit dieser dritten, erfolgreichen Ausgabe endgültig als Highlight etabliert hat. Ich persönlich freue mich schon sehr auf die nächste CCON am 29. und 30. Juni 2019 in der Messe Stuttgart und hoffe, dass sie sich in dieser Qualität weiter entwickelt, ganz zur Freude aller Geeks und Nerds hier in Baden-Württemberg und auch darüber hinaus.