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Der flambierte Mensch: geschüttelt nicht gerührt!

Der estnische Film "Tuulte Tahutud Maa" zeigte auf dem NaturVision Filmfestival die Schönheit der Natur, die durch den Menschen immens bedroht ist.
Der estnische Film "Tuulte Tahutud Maa" zeigte auf dem NaturVision Filmfestival die Schönheit der Natur, die durch den Menschen immens bedroht ist.

Vermutlich kennt jeder die Situation: ein Grillabend, die Gäste stehen erwartungsvoll in der Nähe der heißen Glut und plötzlich schallt eine Stimme aus dem Hintergrund: "Also ich bin Veganerin, ich verstehe nicht, wie Ihr totes Fleisch essen könnt!" Und sogleich bildet sich die Carnivoren-Front: "Ich lasse mir mein Fleisch nicht verbieten!", "Immer diese militanten Veganer!" oder "Als Veganer esst Ihr Soja und zerstört damit den Regenwald!" (weitere Mythen und Klischees hierzu übrigens auf Bento!). Tja, wenn einmal die Fronten verhärtet sind, lässt es sich nur noch schwerlich diskutieren, egal, ob es sich um Religion, konträre politische Haltungen oder um den Klimawandel geht.

 

Über Klimawandelleugner wollen wir heute aber nicht sprechen, denn wie diese mit dem Hinzuziehen mangelhafter Studien, unsäglicher Weltverschwörungstheorien oder einfach nur reiner subjektiv engstirniger Eigenwahrnehmung in Stammtischmanier versuchen, die Realität auszublenden, ist einen eigenen Blogartikel wert.

In der posthumanistischen Gesellschaft, in der sich die Komplexität des Individuums durch Big Data, Künstliche Intelligenz und soziale Netzwerke in einem granularen Wesen manifestiert, zählt die Meinung des Anderen kaum noch etwas, so scheint es. Hier stellt sich aber die Frage, wie ein aufklärerischer Diskurs überhaupt noch möglich ist, wie Menschen zum um- und andersdenken gebracht werden können, wenn der Einzelne sich über alle Anderen erhebt. Egoismus, Borniertheit und Selbstgefälligkeit überstrahlen altruistische Wertekonzepte, die auch die eigene Umwelt im individuellen Handeln mit berücksichtigen. Max Stirner lässt grüßen!

 

Zu beobachten ist ein Meinungskampf auf allen Kanälen, eine Übertrumpfung der apokalyptischen Superlative, der uns so ziemlich ratlos zurück lässt, was wir dürfen und was wir eigentlich müssten, um unseren Planeten beziehungsweise die menschliche Spezie überhaupt noch retten zu können. Ich muss hier immer an "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams denken. Im zweiten Band "Das Restaurant am Ende des Universums" warten die letzten Überlebenden in den noch wenigen verbleibenden Minuten des Universums und die Gäste des Restaurants "Milliways" können den Untergang live verfolgen. Genau so fühle ich mich irgendwie im Moment angesichts der sich immer weiter verdichtenden Hiobsbotschaften und dem fahrlässigen Nichthandeln vieler Politiker, Wirtschaftskonzerne und Nationalstaaten insgesamt. Mit Vollgas auf die Betonmauer? Kann man machen, ist nur leider tödlich!

Es tut nur ein kleines bisschen weh!

Doch ist der Klimagau überhaupt noch aufzuhalten angesichts nicht eingehaltener Klimaziele der lobbygetriebenen Politik, der Ignoranz gegenüber den "Friday for Future"-Demonstrierenden und unserem eigenen Nichthandeln? Sollen wir einfach nur Vogel Strauß spielen und den Kopf in den immer heißer werdenden Sand der Sahara stecken? Sind wir überhaupt noch zu retten? Oder nähern wir uns im wahrsten Sinne des Wortes mit Riesenschritten dem Tag des jüngsten Gerichts?

 

Alle Menschen, die sich auch in der Vergangenheit schon bemüht haben, das Eine oder Andere für den Klimaschutz zu tun, werden tagtäglich damit konfrontiert, dass dies nicht ausreichen würde. Andere wiederum scheinen sämtliche damit verknüpften Problemfelder zu ignorieren und einfach so weiter zu machen, wie sie die letzten Jahrzehnte von der Konsumindustrie erzogen wurden. Denn zu Zeiten unserer Großeltern war Fleisch nicht die Hauptkomponente der Ernährung, man kaufte nicht in Plastiktaschen ein und man brauchte auch nicht jedes Jahr ein neues Handy. Dass es vermutlich auch heute noch deutlich emissionsärmer wäre, einen Brief zu schreiben, als seine E-Mail-Flut in seinem Online-Postfach aufzubewahren, dürfte auch bei vielen nahezu unbekannt sein (arte erhellt hier).

 

"Echter Klimaschutz wird weh tun!" titelte die Süddeutsche Zeitung. Und da sind wir schon beim Hauptproblem in der Klimadebatte, denn geht es hier darum, den Menschen zu vermitteln, dass sie zum Einen ihren etablierten Lebensstil extrem einschränken müssten und zum Anderen auch noch richtig zur Kasse gebeten werden sollen. Denn ohne Verbote geht es beim Homo Idioticus eben einfach nicht. Dieser lässt sich nicht mit einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen für die Umwelt ausbremsen, oder in seinem wohlverdienten und hart erarbeiteten Urlaub auf dem Boden der Tatsachen verharren, denn ein Fernziel nach Amerika oder Asien (nach dem Flug idealerweise noch verknüpft mit einer Schweröl-Kreuzfahrt durch zum Beispiel die Arktis) ist bei Billigheimerpreisen einfach viel zu reizvoll. Da kann zwar bei einer Befragung fast die Hälfte der Deutschen für sich proklamieren, dass sie sich vorstellen könnte, auf einen Flug zugunsten des Klimaschutzes zu verzichten, doch bleibt dies leider bei den Meisten dann doch nur im Konjunktiv verhaftet, wie es gestern durch die Presse geisterte. Kein Greta-Effekt wahrnehmbar!

 

Wir sind halt doch alle nur arme Würstchen, die mit ihrer eingeschränkten Weltsicht wie in dem Film "Sausage Party" auf ihr Ableben warten, denn am eigenen Schicksal kann man eh nichts ändern und das eigene Schicksal dahingehend zu verändern, dass man sich einschränkt, wer will das schon?

Ausgehend von obigem SZ-Artikel häuften sich auch in meinem Freundeskreis zahlreiche Postings in den sozialen Netzwerken, mit der Frage, wie sehr denn uns diese geforderten Einschränkungen weh tun würden. In der aktiven Reflexion dieser Frage in Bezug auf unser Leben mussten wir feststellen, dass wir hier keinerlei Einschränkung geschweige denn Schmerzen empfinden konnten.

 

Nun, wir sind auch MFG-zertifizierte Green Consultants, die sich dezidiert mit der Thematik nicht nur auseinander gesetzt haben, sondern auch Firmen, Institutionen und auch Einzelpersonen in allen Belangen rund ums Thema Nachhaltigkeit und der Reduzierbarkeit von CO2-Emissionen beraten und Lösungen aufzeigen können. Unsere CO2-Emissionsbilanz war bereits vor unserer Green Consultant-Ausbildung mit sechs Tonnen ziemlich gut, berücksichtigt man, dass der deutsche Durchschnittsbürger beinahe neun Tonnen CO2 produziert.  Wer hier einmal selbst seinen ökologischen Fußabdruck berechnen möchte, kann online unter verschiedenen CO2-Rechnern wählen, zum Beispiel den Rechner vom Umweltbundesamt. Seit unserer Ausbildung konnten wir unsere CO2-Emissionen in nicht einmal 365 Tagen nochmals um über eine Tonne reduzieren, sodass wir heute unter fünf Tonnen liegen.

 

Wie uns dies gelang? Im vergangenen Jahr haben wir viele unterschiedliche Einsparungen vorgenommen, verzichten in weiten Teilen auf Plastik, haben neue Technologien und Innovationen im privaten und auch geschäftlichen Bereich angeschafft, haben unseren Konsum auf notwendige Anschaffungen reduziert und kaufen fast nur noch Bio, regional, saisonal und Fair Trade ein, was sich nicht einmal in unserem Geldbeutel negativ bemerkbar gemacht hat – eher der Gegenteil war der Fall! Unser bisheriges Zwischenfazit ist, dass die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit mit einem universellen Blick in sämtlichen Lebensbereichen für eine größere Sensibilität und ein größeres Verständnis mit sich bringt und uns hierbei weniger irgendwelche Verbote geholfen haben als bestimmte Anreize (Nudges), welche Klimaschutz nicht als lästige Verpflichtung, sondern zu einer erstrebenswerten Lebenseinstellung werden lassen, die sogar mental positiv wirken kann.

Zuckerbrot oder Peitsche? Die Qual der Wahl!

Vielleicht wäre es ein zielführenderer Ansatz, nicht mit dem moralischen Zeigefinger zu drohen, ständig nur auf Defizite hinzuweisen und oftmals nur marginale Lösungsansätze aufzuzeigen. Ein Beispiel gefällig? Das von mir hochgeschätzte BR-Format quer berichtete in seinem Beitrag Alles für die Tonne darüber, dass in Bayern viele Unternehmen vor extremen Müllbeseitigungsproblemen stünden, da zum Einen unser deutscher Müll aus China & Co. mittlerweile wieder zurück geschickt wird und zum Anderen unsere Müllverbrennungsanlagen Dank vieler Müllimporte zum Beispiel aus Großbritannien überlastet seien. Insbesondere Styroporverpackungen wurden hier als Problembeispiel aufgeführt.

 

Doch an dieser Stelle auch Alternativen für Styropor zu recherchieren, die es bereits heute gibt, und darüber zu berichten, dafür mangelte es der Redaktion entweder am notwendigen Wissen oder es hätte den dramaturgischen Effekt des Berichts vermutlich geschmälert. Meiner Auffassung nach stünde es aber allen über solche Umweltprobleme berichtenden Medien gut zu Gesicht, ein wenig über den Tellerrand des Narrativs heraus zu blicken und festzustellen, dass es im vorliegenden Fall kostengünstige, recyclebare Verpackungsmaterialien aus Pilzen gibt, die anstelle des Styropors verwendet werden können. Es wären so viele Fliegen mit einer Klappe zugleich erschlagen!

 

Die Liste ließe sich noch so lange und vielseitig fortsetzen und daher möchte ich zum Schluss dafür plädieren, zumindestens aus der Debatte die Hitze heraus zu nehmen und auf einer Sachebene zu versuchen, sich mit den bereits heute existierenden Lösungsmöglichkeiten auseinander zu setzen, seien es reale Produkte oder neue Dienstleistungen, die ihren Teil dazu beitragen, aktiven Klimaschutz zu ermöglichen. Das würde deutlich mehr Menschen inspirieren und zum Umdenken bringen, als die rein moralische Keule, die dann für die unbelehrbaren Holzköpfe aufgespart werden kann!