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Alle reden von PR, doch nur wenige wissen, was das überhaupt ist

Wo ist der Unterschied zwischen Public Relations, Propaganda und Journalismus?
Wo ist der Unterschied zwischen Public Relations, Propaganda und Journalismus? (Bild: Freepik)

Bei der Lektüre des Buches "Erzählende Affen - Mythen, Lügen, Utopien" (Ullstein Verlag 2021) haute es mich bildlich gesprochen rückwärts aus den Schuhen, als die beiden Autoren, Samira El Ouassil und Friedemann Karig doch tatsächlich nach einem ernsten Kapitel über die aktuellen Mechanismen der Kriegspropaganda feststellten, dass "Public Relations" heute nur eine andere Benennung für "kapitalistische Propaganda" (S. 217) sei. Glücklicherweise saß ich gemütlich bereits im Sessel, doch zumindest meine Stimmung war gründlich verdorben ob dieser geradezu fahrlässigen und grundlegend falschen Aussage.

 

Damit reihen sie sich aber eben in jene Argumentationen von Systemgegnern ein, die von "Lügenpresse", "Fake News" oder "Machteliten" schwadronieren, ohne sich tastsächlich mit der Komplexität und Funktionsweise professioneller Kommunikation im posthumanistischen Zeitalter beschäftigt zu haben. Ohne eine klare Differenzierung der Kommunikationsfelder Propaganda, Public Relations und Presse (bzw. Journalismus) sollte sich heute niemand  mit der Bewertung öffentlich zugänglicher Informationen beschäftigen, auch wenn manchesmal die Grenzen zugegebener Maßen als fließend erscheinen.

 

Es ist umso bitterer, aus dem Kontext gegriffen derartige Definitionen in Publikationen lesen zu müssen, welche aufgrund ihrer populistischen Herangehensweise und oberflächlichen Erörterungen dennoch oder gerade deshalb auf den Bestseller-Listen landen. Sicherlich neigen Autorinnen und Autoren, welche eine breite Abnehmerzahl ihrer Bücher im Blick haben, dazu, sich reißerische Themen und Argumentationslinien herauszugreifen, welche zwar einen hohen Emotionsgrad aufweisen, aber als wenig zweckdienlich für eine sachliche Auseinandersetzung und Differenzierung von Begrifflichkeiten erscheinen.

Die Manipulation der Massen ist nicht vorderes Ziel der Public Relations, das der Propaganda allerdings schon

Tatsächlich gilt der 1891  in Wien geborene und 1995 in New York verstorbene Edward Louis Bernays, ein Neffe Sigmund Freuds, als Begründer der Public Relations, neben dem US-amerikanischen Kommunikationsmanager und -berater Ivy Lee. In seinem Buch "Propaganda" aus dem Jahr 1928 beschreibt er die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Mechanismen, mit deren es gelingt, die Meinung der Massen propagandistisch zu steuern:

 

"Systematische Erforschung der Psychologie der Massen hat gezeigt, wie wirkungsvoll die Gesellschaft regiert werden kann, wenn es den verborgenen Herrschern gelingt, den Einzelnen in seiner Gruppenzugehörigkeit zu erreichen und seine Motive zu manipulieren" (Bernays 1928, S. 49).

 

Gerade die Umsetzung dieser Erkenntnisse in der Propagandamaschinere des 3. Reiches hat Bernays dazu bewogen, diese politischen Instrumente der Manipulation der Massen später nochmals von denen der Öffentlichkeitsarbeit abzugrenzen und diese entsprechend in "Public Relations" umzubenennen. Denn muss hier klar unterschieden werden zwischen einer (Kriegs-)Propaganda, welche das Ziel verfolgt, die Massen gleichzuschalten und auf Linie zu bringen (und dies oft und gerne mit Falschinformationen und Lügen)  und ausdifferenzierter Public Relations-Arbeit, welche nach ethischen Prinzipien (in Deutschland gibt es hierfür eigens einen PR-Ethik-Rat, der über die Verhaltens- und Ethik-Regeln der professionellen Kommunikatoren wacht) die Interessen einer Unternehmung, einer Institution oder auch einer Einzelperson vertritt und in die Öffentlichkeit bringt.

 

So bedeutet Public Relations im Gegensatz zu Propaganda einen interdependenten, sprich wechselseitigen Austauschprozess mit der Öffentlichkeit, in welcher die verschiedenen Beziehungen zwischen Unternehmung zu den Menschen oder verschiedenen Teil-Öffentlichkeiten (z. B. Medien, Stakeholder, Kunden) aufgebaut und gepflegt werden und hierfür in einer strukturierten Regelmäßigkeit entsprechende Kommunikationen produziert werden müssen.

Die verschiedenen Teilaspekte der transhumanistischen Public Relations

Wir leben in Zeiten, in welchen die Menschen insbesondere auch über digitale Kommunikationskanäle erreicht werden können und dies so auch zu einem wichtigen Eckpfeiler der Public Relations-Arbeit wird. Eine transhumane Gesellschaft, in der sich die Menschen immer stärker individualisieren und physisch in der digitalen Öffentlichekit auflösen, sich mittels digitaler Applikationen neu erfinden und nach außen hin präsentieren, können im sogenannten Funneling Menschen immer gezielter angesprochen werden, indem ihre Nutzerdaten mittels Big Data und KI ausgelesen, analysiert und individualisierte Kommunikationen produziert werden.

 

Insbesondere Online-Tools und Social Media-Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram, TikTok, LinkedIn oder Xing rücken hier immer stärker in den Fokus professioneller Kommunikatoren, da sie hier ohne redaktionelle Informationsvermittler (z. B. Radio, TV oder Zeitungen) ihre Inhalte so veröffentlichen können, wie dies ihr Kommunikationskonzept vorsieht.

 

Dies bedeutet, dass eine professionelle Kommunikationskampagne auch mit Blick auf die digitalen Potenziale folgende Elemente enthalten sollte (immer abhängig von den Ressourcen Budget, Personal, Infrastruktur u. ä.):

  1. Definition Werte, Ziele, Philosophie
  2. Analyse der anzusprechenden Zielgruppen (bzw. Teilgruppen)
  3. Erstellung eines Kommunikationskonzepts und Themensetzungen
  4. Definition der zu nutzenden Instrumentarien (Pressemitteilungen, PR-Termine, Social Media, Medienpartnerschaften, Identifikation neuer potenziell interessanter Tools)
  5.  Erstellung der Zeitpläne
  6. Umsetzung
  7. Evaluation des Kommunikationserfolgs
  8. Ableitungen für weitere Kommunikationsschritte

Und wo bleibt das Thema Marketing?

Was in diesem Blog-Artikel inhaltlich nicht thematisiert wurde, sind werbliche Kommunikationen zum Beispiel in Form von Werbung oder Reklame. Auch Marketing ist stark von Public Relations abzugrenzen, da hier gezielt Images mit monetärem Geldfluss in die Öffentlichkeit getrieben werden. Ein letztlich besonders starker Unterschied zu Public Relations, welche nach wie vor stark abhängig von den Selektionsmechanismen der verschiedenen Informationskanäle ist und die ggf. auch noch redaktionellen Überarbeitungen durch Dritte (z. B. Redaktionen, Blogger, Algorithmen u. ä.) unterworfen ist.

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